BAG, Urt. v. 12.02.2015 – 6 AZR 845/13 –
Auch ein Ausbildungsverhältnis kann aufgrund des dringenden Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden außerordentlich fristlos gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG gekündigt werden.
Die Entscheidung
Der Auszubildende einer Bank zählte weisungsgemäß das sich im Nachttresor der Bank befindliche Geld. Später wurde ein Fehlbestand von 500,- EUR festgestellt. Der Auszubildende soll in einem anschließenden Personalgespräch von sich aus die Höhe des Fehlbetrags genannt haben, obwohl er nur zu einem unbezifferten Fehlbetrag angehört worden war. Die Bank kündigte daraufhin das Ausbildungsverhältnis außerordentlich fristlos aufgrund des dringenden Verdachts der Entwendung der 500,- EUR.
Der Arbeitnehmer wehrte sich gerichtlich gegen die Kündigung und unterlag in allen Instanzen; zuletzt stellte das BAG die Wirksamkeit der Verdachtskündigung fest. Nach Auffassung der Bundesrichter kann der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden einen wichtigen Grund zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses nach § 22 II Nr. 1 BBiG darstellen, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht.
Bedeutung für die Praxis:
Diese Entscheidung ist aus Arbeitgebersicht zu begrüßen. Nun ist endlich höchstrichterlich geklärt, dass auch Ausbildungsverhältnisse durch eine Verdachtskündigung beendet werden können. Dies war bislang umstritten und wurde teilweise nur für solche Ausbildungsverhältnisse bejaht, die eine vertiefte Vertrauensbasis zwischen den Ausbildungsparteien erfordern. Dabei werden durch das BAG zunächst dieselben hohen Anforderungen an die Wirksamkeit der Verdachtskündigung gestellt, wie sie auch bei Verdachtskündigungen von Arbeitsverhältnissen gelten. Zusätzlich sind nach der Entscheidung des BAG die Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses zu beachten. Letzteres dürfte für die Praxis eine höhere Hürde für Verdachtskündigungen im Ausbildungsbereich bedeuten. Es bedarf also besonders starker Verdachtsmomente und einer gravierenden Pflichtverletzung, derer der Auszubildende verdächtigt wird. Im Hinblick auf die strengen (formalen) Anforderungen an eine Verdachtskündigung ist Arbeitgebern daher bereits im Vorfeld des Kündigungsausspruchs die Einholung von Rechtsrat zu empfehlen, um die Wirksamkeit der Kündigung nicht zu gefährden.