BAG, Urteil v. 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13 –
Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr wegen der Elternzeit kürzen.
Die Entscheidung
Eine in einem Seniorenheim beschäftigte Ergotherapeutin mit einem jährlichen Urlaubsanspruch von 36 Arbeitstagen befand sich seit der Geburt Ihres Sohnes im Dezember 2010 durchgehend bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Mai 2012 in Elternzeit. Anschließend forderte sie ihren ehemaligen Arbeitgeber zur Abrechnung und Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012 auf. Der Arbeitgeber erklärte ihr gegenüber daraufhin die Kürzung des Erholungsurlaubs wegen der Elternzeit und verweigerte eine Zahlung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage der Arbeitnehmerin auf Urlaubsabgeltung in erster Instanz abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat der Berufung der Klägerin stattgegeben und die Kürzung für unwirksam erklärt. Die dagegen wiederum eingelegte Revision der Beklagten vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) blieb erfolglos.
Gem. § 17 Absatz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) darf der Arbeitgeber den Erholungsurlaub des Arbeitnehmers für jeden vollen Monat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Die Kürzung kann zwar auch noch nachträglich erfolgen, jedoch nicht mehr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so das BAG. Denn mit Beendigung wandelt sich der ursprüngliche Urlaubsanspruch in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um. Dieser Abgeltungsanspruch stellt nach jüngerer Rechtsprechung des BAG nicht mehr ein mit dem Urlaub rechtlich gleichgestelltes Surrogat dar, sondern nur noch einen reinen Geldanspruch, auf den die für den Urlaub geltenden Bestimmungen keine Anwendung mehr finden.
Bedeutung für die Praxis
Diese Entscheidung ist für Arbeitgeber von hoher praktischer Bedeutung. Häufig wird übersehen, dass das dem Arbeitgeber gem. § 17 Abs. 1 BEEG eingeräumte Recht zur Kürzung des Erholungsurlaubs während der Elternzeit nicht zu einer automatischen Kürzung führt. Vielmehr tritt eine Kürzung nur ein, wenn sie gegenüber dem Arbeitnehmer ausdrücklich erklärt wird. Es handelt sich also um eine Kürzungsbefugnis, von der der Arbeitgeber aber auch ganz bewusst keinen Gebrauch machen kann (dann aber Vorsicht: Gleichbehandlungsgrundsatz beachten!). Soll eine Kürzung erfolgen, so kann sie frühestens ab dem Elternzeitbegehren, aber auch noch im Anschluss an die Elternzeit erklärt werden. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist eine Kürzung indes nicht mehr möglich, wie das BAG nun unter Aufgabe seiner Bisherigen Rechtsprechung ausdrücklich klargestellt hat. Bereits vor der Elternzeit gewährter Urlaub kann allerdings nicht mehr nachträglich gekürzt und das Urlaubsentgelt vom Arbeitgeber zurückgefordert werden. Hier gewährt § 17 Abs. 4 BEEG dem Arbeitgeber aber das Recht, den nach Beendigung der Elternzeit neu entstehenden Urlaub um den vorher zu viel gewährten Urlaub zu kürzen.