LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 7.5.2015 – 6 Sa 78/14 –
Eine als „Werkvertrag“ bezeichnete Arbeitnehmerüberlassung, die aufgrund des Vorliegens einer unbeschränkten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis formal gedeckt ist, führt nicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem bei ihm eingesetzten Arbeitnehmer.
Die Entscheidung
Die klagende Arbeitnehmerin war von ihrer Arbeitgeberin von Anbeginn des Arbeitsverhältnisses im Februar 2004 durchgehend bei der Beklagten, einer Automobilherstellerin, eingesetzt worden. Die Arbeitgeberin verfügt seit dem Jahr 1995 über eine uneingeschränkte Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Den Einsätzen der Klägerin bei der Beklagten lagen jedoch kein Arbeitnehmerüberlassungsverträge, sondern jeweils als „Werkvertrag“ bezeichnete Verträge zugrunde. Die Klägerin machte geltend, es handle es sich um einen Scheinwerkvertrag und in Wirklichkeit um eine nicht genehmigte und den Anforderungen des § 12 AÜG nicht entsprechende Arbeitnehmerüberlassung. Von ihrer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung habe die Vertragsarbeitgeberin im konkreten Fall keinen Gebrauch gemacht. Dies führe zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der bereits auch die Vorinstanz entschied das LAG, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis begründet wurde, da eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis durchgängig vorlag. Eine analoge Anwendung der §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG scheide aus, da der Gesetzgeber bislang bewusst auf eine Gleichstellung der verdeckten mit der erlaubnislosen Überlassung verzichtet habe. Auch die Annahme eines institutionellen Rechtsmissbrauchs führt nach der Auffassung des LAG zu keinem anderen Ergebnis. Zwar würden dem betroffenen Arbeitnehmer durch das treuwidrige und widersprüchliche Verhalten der Beklagten und des Arbeitgebers in Form des Vortäuschens eines Werkvertrages bzw. der Verschleierung der tatsächlich vorliegenden Arbeitnehmerüberlassung seine Rechte nach dem AÜG vorenthalten. Er müsse nach Treu und Glauben vertraglich und wirtschaftlich allerdings nur so gestellt werden, als hätte er von vornherein seine Rechte als Leiharbeitnehmer wahrnehmen können. Nur weil die Arbeitnehmerüberlassung verdeckt war, ergeben sich keine weitergehenden Rechte gegenüber einem Arbeitnehmer, der von vornherein im Rahmen einer erlaubten Arbeitnehmerüberlassung gearbeitet hat, so das LAG.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung der 6. Kammer des LAG liegt in einer Linie mit der Rechtsprechung der 3. Kammer, die bereits zuvor (Urt. v. 18.12.2014 – 3 Sa 33/14; Urt. v. 09.04.2015 – 3 Sa 53/14) entschieden hatte, dass im Falle einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem eingesetzten Arbeitnehmer begründet wird, sofern der Verleiher über eine gültige Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt. Anders wurde diese Rechtsfrage jedoch zuvor von der 4. Kammer des LAG entschieden (Urt. v. 03.12.2014 – 4 Sa 41/14). Nach Auffassung dieser Kammer hatten sich die Parteien während der gesamten Vertragslaufzeiten gerade außerhalb des AÜG stellen wollen und somit bewusst den durch das AÜG vermittelten Sozialschutz des Arbeitnehmers zu verhindern versucht, so dass trotz der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ein Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommen sei.
Der Einsatz von Arbeitnehmern auf der Grundlage von (Schein)Werkverträgen ist bis zu einer Klärung durch das BAG daher weiterhin mit Rechtsrisiken verbunden. Das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung kann diese Risiken derzeit wohl (noch) minimieren, wie die vorliegende Entscheidung zeigt. Sie sollte bestenfalls auch offengelegt werden. Für die Zukunft müssen aller Voraussicht nach jedoch ohnehin andere Gestaltungsmöglichkeiten geprüft werden, da jedenfalls nach der von der Bundesregierung angekündigten Gesetzesänderung auch die „Vorrats-Arbeitnehmerüberlassung“ nicht mehr als Rettungsanker genutzt werden kann. Unternehmen, die Arbeitnehmer auf Werk- bzw. Dienstvertragsbasis „überlassen“ oder einsetzen, sollten die entsprechenden Verträge sowie die tatsächliche Umsetzung in der Praxis daher frühzeitig auf den Prüfstand stellen.